Familie Schnitkemper - Kötter, Schreiner, Gastwirte, Künstler - Dorfarchiv-Westkirchen e.V.

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Die Familie Schnitkemper aus Westkirchen – Kötter, Schreiner, Gastwirte, Künstler

 
Der kleine „Schnitkempers Kotten“ oder „Schnittkotten“ in der Westkirchener Bauerschaft Holtrup ist schon sehr alt. In seiner wechselvollen Geschichte gibt er eindrucksvoll Zeugnis davon, wie seine Bewohner es verstanden haben, auf einer „Größe von 7 Morgen 99 Ruthen 66 Fuß“ eine in der Regel recht zahlreiche Familie zu ernähren, indem sie immer wieder neue Einnahmequellen aufgetan haben.

Im Dorfarchivs Westkirchen befinden sich alte Hofakten der Familie Schnitkemper, die Einblick in die Geschicke der Familie und des Kottens geben. Das älteste Zeugnis im Archiv ist ein Dokument vom 29.10.1752.
Auch im Status Animarum von 1750, erstellt 1749, sind zahlreiche Mitglieder der Familie Schnitkemper aufgeführt, u. a. der 45jährige Kötter Joan Schnitkemper mit seiner Ehefrau Elis. Bombecke und fünf Kindern. Somit ist zu vermuten, dass die Familie schon recht lange in der Bauerschaft Holtrup lebt.
Der Kotten hat immer den Namen Schnitkemper oder Schnitkötter – wenn auch in wechselnder Schreibweise – geführt. Selbst als im 18. Jhd. nach dem Tode des Vaters Joan Schnitkemper die Tochter Catharina Elisabeth Schnitkemper (geb. 21.09.1737) mit Zustimmung des Gutsherrn Leopold Freiherr von Hanxleden den Kotten übernimmt und sie kurz darauf Johann Bernard Lucas heiratet, nimmt dieser den Namen seiner Frau und damit des Kottens an. In der entsprechenden Notariatsurkunde wird die Übernahmeerlaubnis folgendermaßen begründet: „weil ihr Elisabethen Vatter seehlicher, den Kotten so getreulich vorgestanden, auch die viele aufm Hochadelichen Hauß Dieck verfertigte arbeit, und in betrag, daß sie Elisabet, so viele jahren sich als eine treue und tügtige dienstmag aufm Hauß Dieck verhalten hätte…“
 In der Zeit von 1788 bis 1794 ist der Kotten an Joan Bernd Hammelmann verpachtet, weil nach dem Tode der Wwe. Schnitkemper nur drei minderjährige Kinder zurückbleiben. Doch mit der Volljährigkeit des Sohnes Carolus Franz Jos. Maria Schnitkemper (geb. 18.10.1771) und seiner Heirat mit Gertrud Suthues im Jahre 1795 geht der Kotten nach dem Leibeigentumsrecht wieder in die Hände der Familie über. Von diesem Zeitpunkt an ist der Name Schnitkemper ununterbrochen belegt, bis der Kotten nach dem Tode des letzten Besitzers Heinrich Schnitkemper (1912-1997) im Jahre 2014 verkauft wird.
 
Viele alte Dokumente bezeugen, dass der Schnitkotten dem Hause Dieck eigenhörig ist. Als die minderjährige Louise von Hanxleden Besitzerin des Gutes Diek wird, ermittelt ihr Vormund ihre Besitzungen und dabei erklärt der Kötter Carl Schnitkemper am 23.09.1801: „ daß er im Leibeigenthum der Familie von Hanxleden gebohren, und der Schnitkempers Kotte am Hause Dieck eigenhörig sey, […] Er hätte für den Sterbefall seiner beyden Eltern, und seinen und seiner Frauen Gewinn an die verstorbene verwittibte Freyfrau von Hanxleden zahlen müssen 40 rt. […] Er wäre mit alle sein Vieh, was er des Winters über füttern könne, im Westerwalde berechtigt, müßte aber am Hause Dieck dafür jährlich an Weidegeld 2 Rthlr 2  sg 4 d zahlen. Nebst dem müßte er an Pacht 5 Rthlr jährlich zahlen, und 12 Handdienste, oder für jeden Handdienst, wenn derselbe nicht verlanget würde 2 sg 4 d zahlen.“
 

Nach der allgemeinen Aufhebung der Leibeigenschaft im Jahre 1808 wird am 25.04.1810 auch zwischen dem Haus Diek und dem Kötter „Schnitkemper sive Schnitkoetter“ ein entsprechender Vertrag geschlossen, in dem es heißt: „…erschiene vor mir Notar und untenbenennten Zeugen der Herr Johann Zurhorst Verwalter des Hauses Diek, sodann der Carl Kötter Schnitkamp Kirchspiels Westkirchen bauerschaft Holtrup, letzterer zeigte an, daß er vorher im Leibeigenthum des Fräuleins Luise von Hanxleden gestanden, ferner erklärten beyde Theile, daß nachdem der leibeigenthum im Großherzogthum Berg durch die Verordnung vom 12. Xber 1808 abgeschaft, sie unter sich folgenden Vertrag geschloßen hätten: Der Kötter Schnitkemper zahlt vor wie nach jährlich Termino Martini die bisher von seinem Kotten gezahlte Sechs Rthaler Conventions Geld. Für die gegen Entschädigung aufgehobene Rechte des Sterbfalls Gewinns und Heimfalls des Kottens zahlt der Schnitkämper  ebenfalls jährlich Trno Martini Einen Rthaler Vier Gute-Groschen Conventions Geld….“
Die wirtschaftliche Lage verbessert sich also nicht grundlegend. Erst im Jahr 1861 wird in einem „Recess über die Ablösung von Reallasten“ folgendes festgelegt: „Die Rente wird durch Baarzahlung des 18fachen Betrages seitens des Verpflichteten getilgt. Der Berechtigte hat aber von der ihm gesetzlich zustehenden Befugniß, die Abfindung zum 20fachen Betrage der Jahresrente in Rentenbriefen zu verlangen, Gebrauch gemacht.“

 
Neben der Landwirtschaft betreibt die Familie Schnitkemper eine Schreinerei und später eine Gastwirtschaft. Auf diese Weise hat sie es immer verstanden, aus den Erträgen ihrer Arbeit die eigene Familie zu versorgen. Im 20. Jahrhundert ist es sogar gelungen, durch Landzukauf die Größe des Kottens auf rund 20 Morgen zu erhöhen.

So hat der Hof in den 1930er Jahren ausgesehen. Auf dem vermutlich von Willi Schnitkemper (1917-1944) gemalten Hofbild ist an der linken Bildseite im rechten Winkel zum Haupthaus die alte Werkstatt zu erkennen, die jetzt im Mühlenhofmuseum aufgebaut ist, und links daneben das Backhaus mit der angebauten Veranda. Rechts vom Haupthaus befindet sich der aufgemauerte Hausbrunnen und rechts davon ist das Bienenhaus zu sehen.
    


Die Schreinerei
 
Wie der Name Schnitkemper verrät, hat zum Kotten wohl immer eine Schreinerei gehört. Nach Auskunft des Dudens stammt der Namensteil Schnit- vom mittelniederdeutschen sniddeker, snitker und bedeutet (Holz-)Schnitzer, Bildner, Tischler. In einer Zeit, in der nicht nur die Häuser, sondern auch viele Gegenstände des täglichen Lebens und sogar landwirtschaftliche Geräte aus Holz bestehen, finden Schreiner und Tischler gute Arbeitsmöglichkeiten.
Der älteste schriftliche Nachweis für die Schreinerwerkstatt auf dem Kotten findet sich im Dorfarchiv Westkirchen in der oben erwähnten Urkunde von 1768, wo die „aufm Hochadeligen Hauß Dieck verfertigte Arbeit“ gelobt wird. Gemeint sind damit auch Schreinerarbeiten, wie zahlreiche spätere Rechnungen belegen. Als im Jahr 1788 nach dem Tode der Wwe. Schnitkemper der größte Teil des Inventars zugunsten der drei minorennen Kinder versteigert wird, bleibt  die „Vorgefundene schreiner gereitschaft“ wie z. B. „Zwantzig Hubels und sechs dito bei Schopman, Achtzehn Bohrs, drey umschläge,  fünff feilen, Sechs winkels, fünff saagen …“ unverkauft, wie die Auflistung des Notars Remmers vom 27.10.1788 zeigt. Es besteht also schon eine Schreinerei und sie soll auch fortgeführt werden. So steht dem Sohn Carl, als er im Jahre 1795 den Betrieb wieder aufnimmt, eine vollständige Werkstattausrüstung zur Verfügung.



Zunächst gibt es kein eigenes Werkstattgebäude; die Arbeiten werden in dem alten Backhaus erledigt.


Um genügend Aufträge zu haben, übernehmen die Schreiner eine Reihe von Nebenaufgaben. So erstellen sie in den Jahren um 1800 eine Reihe von Inventarlisten, die beim Tode eines Eigentümers oder seiner Frau für die Berechnung des Sterbfalls bzw. des Erbes benötigt werden. Außerdem bewirbt sich die Schreinerei um die Anfertigung der Armensärge auf Kosten der Gemeinde. In einem Schreiben des Amtes Beelen vom 28.08.1832 heißt es: „Die Verfertigung der Särge für verstorbene Arme zu Westkirchen ist Ihnen auf 6 Jahre höhern Orts zugeschlagen“ Für einen Kindersarg zahlt die Gemeinde 20 Silbergroschen und für den Sarg eines Erwachsenen 1 Rt 10 Sgr.

(Thekla Schnitkemper, die jüngste noch lebende Schwester des letzten Besitzers, erinnert sich, dass die Sargherstellung bis zuletzt eine wichtige Einnahmequelle der Schreinerei geblieben ist. Särge mussten innerhalb von drei Tagen fertig sein. Daher war das elektrische Licht, das ab 1929 zur Verfügung stand, eine große Hilfe, wenn Tag und Nacht an einem solchen Auftrag gearbeitet wurde. Für ausreichendes Licht dabei sorgte eine „hundertkerzige“ Birne. Um die „Verschwendung“ von so viel elektrischem Strom bei diesen Arbeiten auszugleichen, machte die Werkstatt an anderen Tagen ohne dringliche Aufträge Feierabend, sobald das Tageslicht nicht mehr ausreichte.)

Einer der wichtigsten Arbeitgeber der Schreinerei ist das Haus Diek, wie die vielen Rechnungen mit der Überschrift „Verzeichniß derinnigen Tage so ich unterschriebener aus Auftrag des Herrn Rentemeister Eickholt auf dem Adlichen Hause Diek gearbeitet habe“ belegen. Neben Reparaturarbeiten werden auch neue Teile gefertigt, wenn es heißt: „ … Einen Kasten gemacht zum Fleisch einzupacken, … Eine puppenbetlade gemacht, … Vor daß Antonius Bild eine verzirung von Bretter gemacht, … In die Große Uhr auf daß Herrschaftliche Haus eine Walze gemacht“
 
Neben den Hofbesitzern und Dorfbewohnern stellen Kirche und Pfarrhaus wichtige Auftraggeber dar, wie viele Rechnungen belegen.
 
Um das Jahr 1870 hat sich die Werkstatt Schnitkemper so weit etabliert, dass ein neues frei stehendes Werkstattgebäude errichtet werden kann.


 

Die Werkstatt besitzt zunächst nur einen Raum, in dem die Hobelbänke stehen. Mit einer Größe von 6,9m x 4,5m ist es nicht sehr groß.
 
Der rechte Teil des Gebäudes entsteht erst in den 1920er Jahren.


Neubauten im Dorf stellen jetzt neben den Aufträgen aus der bäuerlichen Umgebung wichtige Einnahmequellen dar. Solche Großaufträge sind bei allen Schreinereien im Ort begehrt und als in Westkirchen in den 1880er Jahren eine neue Vikarie gebaut werden soll, scheint eine der vier ansässigen Werkstätten versucht zu haben, diesen Auftrag allein auszuführen. Daher schreibt C. Schnitkemper an das Bischöfliche Generalvikariat in Münster und fragt an, „…ob es richtig u. angemessen ist, die Vikarie im ganzen mit allen Arbeiten zu vergeben, so das nur der Vorsitzende [des Kirchenvorstandes] u. noch einer seinen Nutzen davon hat“. Eine Antwort auf den Brief liegt nicht vor, aber man scheint sich geeinigt zu haben, denn die Schreinerei Schnitkemper gibt 1886 einen Kostenvoranschlag ab und in der zugehörigen Rechnung sind auch Arbeiten der drei anderen Schreinereien Klostermann, Mense und Scharmann ausgewiesen. Auch am Neubau der Schule, die im Jahr 1912 eingeweiht wird, ist die Schreinerei Schnitkemper maßgeblich beteiligt. Die damals gefertigte Schuleingangstür, die später einem Umbau weichen muss, hat heute ihren Ehrenplatz in einem Geräteschuppen des Heimatvereins.
 
1922/23 wird die Gemeinde durch das Elektrizitätswerk Westfalen mit Licht- und Kraftstrom versorgt und eine neu gegründete Genossenschaft baut das Ortsnetz.            
             
Als auch in der Bauerschaft Holtrup ein Transformator errichtet wird und hier endlich Elektrizität zur Verfügung steht, erhält die Werkstatt in einem Anbau einen eigenen Maschinenraum. Mehrere Holzbearbeitungsmaschinen können jetzt über eine Transmissionsanlage mit Maschinenkraft betrieben werden. Sie erledigen kraftraubende Vorarbeiten, während die eigentlichen Schreinerarbeiten weiter von Hand erledigt werden. Das Werkstattgebäude hat inzwischen eine Größe von 9,5m x 7,5m und ist in drei Räume unterteilt, den ursprünglichen Bankraum mit Hobelbänken und Drechselbank, den Maschinenraum mit den elektrisch betriebenen Maschinen und einen Schleifraum.

 
 

Bis in die 1950er Jahre wird in der Werkstatt noch gearbeitet; dann ist das größere Einkommen durch eine inzwischen gewachsene Gastwirtschaft zu erzielen. Die Werkstatt mit all ihren Werkzeugen und Geräten fällt in einen Dornröschenschlaf. Dadurch erweist sie sich im Jahre 1998 als ein Glücksfall für das Mühlenhofmuseum in Münster, als die Familie Schnitkemper ihm das Gebäude samt Inventar zur kostenlosen Übernahme anbietet. Das Museum holt die Werkstatt in den Mühlenhof und kann an ihrem Beispiel den Mühlenhofbesuchern sowohl traditionelle Arbeitsweisen und Produktionsschwerpunkte zeigen wie auch die Veränderungen in der Arbeitswelt durch den Einzug moderner Technik.

 

Die Gastwirtschaft
 
Die Idee zu der späteren Gartenwirtschaft entsteht in den 1920er Jahren. Die idyllische Lage des Kottens am Waldrand und die geringe Entfernung zum Dorf wecken in vielen Spaziergängern den Wunsch, an dieser Stelle bei einer kleinen Erfrischung eine Pause machen zu können. Dieser Wunsch kommt den Fähigkeiten der Gertrud Schnitkemper (1883-1955) sehr entgegen. Sie hat vor ihrer Heirat mit Max Schnitkemper (1876-1942) in einer Gastwirtschaft in Münster Kochen gelernt und sie muss dort auch bedienen. So ist sie den Umgang mit Gästen gewöhnt. Als die Familie wächst, sucht sie nach einer weiteren Einkommensquelle und verkauft zunächst Erzeugnisse aus dem Garten und der Landwirtschaft auf dem Wochenmarkt in Neubeckum. Ihr Ehemann Max baut ihr dazu einen Verkaufstisch, der später beim Umzug der Werkstatt in das Mühlenhofmuseum ebenfalls seinen Weg dorthin findet, wo er als Beispiel dient für die Findigkeit und den Fleiß der kleinen Kötter und Handwerker bei der Sorge um das tägliche Brot.
 
Doch die behördliche Erlaubnis zum Betrieb einer Gastwirtschaft ist nicht so leicht zu bekommen. In einem Schreiben des Kreisausschusses vom 23.07.1928 heißt es zunächst: „ Ihren Antrag vom 6. Juni 1928 auf Erteilung der Erlaubnis zum Betrieb einer Kaffeewirtschaft hat der Kreisausschuß am 7. ds. Mts. abgelehnt.“ Ein Brief der Ortspolizeibehörde vom 07.08.1928 liefert die Erklärung für die wiederholte Ablehnung: „Ein Bedürfnis auf Erteilung zum Betriebe einer Kaffeewirtschaft wird für die 1256 Einwohner zählende Gemeinde Westkirchen, welche 6 Wirtschaften hat, nach wie vor abgelehnt.“ Im weiteren Verlauf des Schreibens heißt es: „Aus dem Einkommen aus der Landwirtschaft (13 ½ Morgen) und dem Einkommen aus der Tischlerei, muß Schnitkemper seine Familie unterhalten können.“ Erst nach einem Streitverfahren vor dem Kreisausschuss erkennt der Landrat die „mißliche Lage des Antragstellers“ an – immerhin gehören im Jahr 1928 drei Erwachsene und neun Kinder zum Haushalt – und teilt ihm am 03.09.1928 mit: „ Dem Kläger, Tischlermeister Max Schnittkemper zu Westkirchen, Holtrup Nr. 53 wird die Erlaubnis zum Betriebe einer alkoholfreien Wirtschaft in dem Garten außerhalb seines Hauses für die Zeit vom 1. Mai bis zum 15. Oktober jeden Jahres erteilt.“
 


Mit Reklameanzeigen macht Max Schnitkemper auf seine neu entstandene Gartenwirtschaft aufmerksam.

Die einzige Ausnahme vom Verkaufsverbot für alkoholische Getränke stellt ab Mai 1937 die Erlaubnis zum Ausschank von 60 Liter selbst gemachtem Apfelwein dar, der während der Saison von Mai bis September verkauft werden darf. Später legt die Familie die Erlaubnis etwas großzügiger aus und stellt auch andere Weine her. Dazu werden Obst und Beeren aus dem eigenen Garten in einem Fässchen im Keller vergoren. Auch aus Hagebutten, Löwenzahn und Schlehen, die die Kinder sammeln müssen, entsteht Wein, wobei der Schlehenwein besonders beliebt ist. Ebenfalls gut angenommen wird die Maibowle aus Waldmeister, von der sogar die Kinder der Familie trinken dürfen. Daneben sind Kaffee, selbst gebackener Kuchen und Schnittchen im Angebot. Die Zutaten für die Bewirtung stammen weitgehend aus eigener Herstellung.

Sogar eine kleine Imkerei gehört zum Betrieb. Allerdings fehlt den Männern in der Werkstatt oft die Zeit, ein ausgeschwärmtes Volk wieder einzufangen, weshalb die Honigausbeute gering bleibt. Manchmal versuchen auch die Kinder, mit langen Stöcken bewaffnet ein entwichenes Volk zur Heimkehr zu bewegen, was nicht selten in einer wilden Flucht über Stock und Stein endet – ein wütendes Bienenvolk im Nacken.




Die Erlaubnis für die Gartenwirtschaft ist lange auf die Sommermonate beschränkt und es darf nur draußen bewirtet werden.


An das alte Backhaus, das als Einzelgebäude etwas vom Haus entfernt steht, wird bald in Eigenarbeit eine offene Veranda angebaut, die kurzfristig Schutz vor einem Regenschauer bieten kann. Im Übrigen sitzen die Gäste in durch Buchenhecken abgetrennten Nischen im Freien, wie in Abb. 11 zu sehen ist.
 
(Vorne im Bild die beiden jüngsten Kinder der Familie, Thekla und Alfons.)

Die Bewirtung ist mit viel Lauferei verbunden, weil alle Speisen und Getränke im Haus zubereitet bzw. gekühlt werden müssen. Zur Kühlung darf die Familie Eis aus dem in der Nähe gelegenen Eiskeller holen – eine Aufgabe für die jüngeren Kinder.



Da die Gastwirtschaft keine Konzession zum Ausschank von alkoholischen Getränken besitzt, muss für die Ausrichtung von Festen – und viele Vereine aus dem Dorf möchten inzwischen in der idyllisch gelegenen Gartenwirtschaft feiern – ein Wirt aus dem Dorf engagiert werden. Daher erbittet Max Schnitkemper im Jahre 1934 „neben der Konzession für Kaffee und alkoholfreie Getränke in seiner Gastwirtschaft die des Flaschenbierausschankes“. Als Begründung führt er „Allgemeininteresse“ an und betont, er führe die „einzige Erholungsstätte im Amte Beelen zur Hebung des Fremdenverkehrs, welcher wiederum der Wirtschaftsankurbelung im Sinne unserer Regierung dient“. Doch sein Antrag wird abgelehnt. Daher bittet er das Amt Beelen im Jahre 1937 erneut um „volle Konzession in geistigen Getränken“ und beantragt gleichzeitig die „Ausübung des Gewerbes fürs ganze Jahr“. Er begründet seinen Antrag mit der Errichtung eines Schießkellers „für S.A. Kyffhäuserbund und Schützenverein“ und lässt sich die „Bedürfnisfrage“ vom Bürgermeister und dem Ortsgruppenleiter der NSDAP bescheinigen. Kurz darauf erscheinen zwei Herren vom Amt Beelen, um die Örtlichkeit in Augenschein zu nehmen. Max Schnitkemper bietet ihnen, wie das bei Besuch üblich ist, einen Schnaps an. Doch als die Herren das Getränk bezahlen wollen, lehnt der Wirt ab mit der Begründung, er habe keine Erlaubnis zum Verkauf von Alkohol. Die Herren bedanken sich und gehen. Bald danach kommt der Bewilligungsbescheid des Amtes für den oben erwähnten Ausschank von 60 Liter Apfelwein.
 
Im Krieg ruht der Gaststättenbetrieb weitgehend. Die Räume sind mit Evakuierten belegt; selbst aus der Veranda entsteht ein Wohnraum.
 

Als sich nach dem Krieg die Verhältnisse wieder normalisieren, blüht auch die Gartenwirtschaft neu auf. Durch den Zuzug vieler Ostvertriebener hat sich der Ort vergrößert und mit steigendem Wohlstand nach der Währungsreform wächst auch das Bedürfnis der Nachkriegsbevölkerung nach Zerstreuung. Nach dem Tode von Max Schnitkemper im Jahre 1942 bemüht sich seine Witwe weiter um die
„Erweiterung der Schankerlaubnis zu vollen Konzession“, die sie endlich im Jahre 1949 erhält. So entwickelt sich die Gastwirtschaft mit der Zeit zur Haupteinnahmequelle, während die Bedeutung der Schreinerei abnimmt. Im Jahr 1955 wird das Backhaus mit der Veranda abgerissen und ein neues freistehendes Gaststättengebäude errichtet.



Neben der Gartenbewirtung in der schönen Jahreszeit etabliert sich nach der Fertigstellung des neuen Gaststättengebäudes durchgängig ein regelmäßiger Betrieb, der nicht zuletzt von der Schießanlage profitiert. Bis in die 1980er Jahre ist die Gaststätte Schnitkemper ein beliebtes Ausflugsziel. Die Gäste fühlen sich in der familiären Atmosphäre wohl, denn die Bedienung erfolgt ausschließlich durch Familienmitglieder, nur sonntags und zu Festen kommen Aushilfen. Die Kinder der Gäste können auf dem weitläufigen Gelände spielen oder die Damtiere füttern, die seit den 1960er Jahren das Umfeld beleben. Erst als Alter und Krankheit der Familie zu schaffen machen, muss der Gaststättenbetrieb im Jahr 1982 geschlossen werden, sehr zum Bedauern der Stammgäste.
 Im Zusammenhang mit dem Betrieb der Gartenwirtschaft stellen sich schon in den 1920er Jahren auch Sommergäste ein. Sie werden voll beköstigt und schlafen im Obergeschoss des Hauses in Zimmern, die mit Waschgeschirren ausgestattet sind. Auch hier ist es Aufgabe der Kinder, die Wasserkannen jeden Tag mit frischem Wasser zu befüllen. Zu Beginn des Krieges fällt diese Einnahmequelle jedoch bald weg, weil die Zimmer für Evakuierte beschlagnahmt werden. Auch nach dem Krieg wird die Zimmervermietung für Sommergäste nicht wieder aufgenommen. Allerdings nutzen eine Zeitlang Kostgänger, die in örtlichen Betrieben arbeiten, die Zimmer als Übernachtungsmöglichkeit.  


Künstlerische Begabung
 
Zum Schreinerhandwerk gehören lange Zeit auch immer Tischlerarbeiten wie die Anfertigung von Möbeln. Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts sind Schränke, Truhen, Stuhllehnen und andere Möbelteile mehr oder weniger reich mit Schnitzereien verziert. Noch heute sind Arbeiten aus der Werkstatt Schnitkemper in Westkirchen vorhanden. Ein Schrank auf dem Hof Halene in der Bauerschaft Voßmar, gearbeitet von Max Schnitkemper (1876-1942), wird hoch in Ehren gehalten. Auch die bereits erwähnte Schultür, ebenfalls gearbeitet von Max Schnitkemper, sowie eine Haustür der Familie Althaus, Hoetmarer Str. von dessen Sohn Heinrich (1912-1997) und die Haustür im Gasthof Badde (Meisterstück des letzten Tischlermeisters Heinrich Schnitkemper), die kürzlich vor dem Abbruch des altehrwürdigen Gasthofs ausgebaut worden ist, legen Zeugnis ab von der künstlerischen Begabung der Schreiner und Tischler Schnitkemper. Nach Berichten von Thekla Schnitkemper besteht in der gesamten Familie künstlerisches Interesse.




Ende eines Familienbetriebes
 
Den Kotten, die Schreinerei und die Gaststätte Schnitkemper gibt es nicht mehr in Westkirchen. Die Großfamilie mit zahlreichen Kindern ist ein Lebensmodell der Vergangenheit und auch der Unterhalt für einen heute üblichen Lebensstandard lässt sich nicht mehr aus einem kleinen Kotten mit Werkstatt erzielen. Anderweitige Arbeitsplätze für gut ausgebildete junge Leute sind dagegen weit entfernt und verkehrstechnisch schlecht angebunden. Daher wird das typisch westfälische Fachwerkhaus nach dem Tode der letzten Besitzer Heinrich (1912-1997) und Hedwig (1919-1999) Schnitkemper im Jahre 2014 von der einzigen Tochter des Ehepaares verkauft, die ihren Lebensmittelpunkt ohnehin schon lange in Berlin hat. Beim Verkauf gibt es allerdings eine Auflage des Denkmalamtes:

Auch für die alte Schreinerei ist im Mühlenhofmuseum in Münster das Überleben gesichert und sie wird weiterhin ihre Geschichte erzählen. Und wie frisch sich die künstlerische Begabung in der jüngeren und jüngsten Generation entfaltet hat, zeigen die oben dargestellten Beispiele aus der Familie Schnitkemper.

Quelle: Dorfarchiv Westkirchen e.V.
Der Bericht ist mit erweitertem Inhalt ebenfalls erschienen im Jahrbuch des Kreises Warendorf 2022, Verfasser: Dorfarchiv Westkirchen e.V.

Mit freundlicher Genehmigung der Familienmitglieder Schnitkemper.

 
 

Dorfarchiv Westkirchen e.V.
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