Vom Bau der Domhofstraße um 1885 - Dorfarchiv-Westkirchen e.V.

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70 Jahre Domhofstraße
(Ein Bericht von 1956)
     
Eine Straßenbaumaßnahme, die eine Bauerschaft aus dem Dornröschenschlaf erlöste

Westkirchen. Es war ein Ereignis von dorfgeschichtlicher Bedeutung, als am Neujahrstage des Jahres 1885 die Bewohner des Domhofs und der Dorfbauerschaft Westkirchen über die im Bau befindliche neue Straße zur Pfarrkirche gingen. Kaum war die neue Brücke an dem alten Schulenbergschen Stauwerk über dem Orbsbach vollendet, als bei leichtem Frost der neue Erddamm zu Neujahr für den Fußgänger- und Schiebkarrenverkehr freigegeben wurde. Bestaunt wurde von den Fußgängern vor allem die gewölbte Steinbrücke, die von hiesigen Maurern unter Anleitung des damaligen Kreisbaumeisters Straube in der ganzen Breite des neuen Dammes erstellt war.

Etwa um das Jahr 1875 gelang es dem Bauern Heinrich Borgmann gen. Sendker, Sitz und Stimme im Dreiklassen-Gemeindeparlament zu erlangen. Ausgestattet mit guter Schulbildung und viel Mutterwitz, erreichte er rasch Achtung und Ansehen. In dieser Stellung ging Heinr. B.-S. mit Hilfe Gleichgesinnter daran, einen Plan zum Bau einer Straße vom Osterwald am Domhof vorbei zum neuerbauten Dorfe Westkirchen zu entwerfen. (Letzterer brannte bekanntlich im Jahre 1868 fast vollständig nieder.)

Bis dahin lagen die Dorfbauerschaft und andere Teile der Gemeinde in tiefem Dorn-röschenschlaf. Nur ein schmales Steinpättken führte über schiefe Ackerraine, durch Wiesen und Weiden, mehrmals unterbrochen durch Drehkreuze, Haspel und enge Törchen, zur Kirche und Schule. Obwohl die meisten Gehöfte nur etwa 1 km vom Dorfe Westkirchen entfernt waren, mußte man einen Umweg von 4 km machen, um zur Dorfmitte zu gelangen, falls man mit Roß und Wagen fuhr. Viele fast unüberwindlich scheinende Hindernisse mußten beseitigt werden, um die Grundfläche für die neue Straße zu erwerben. Etwa vier Morgen Grund wurden benötigt. Durch Spenden, Kauf und Tausch wurde die Grunderwerbsfrage gelöst. Nach schwierigen Verhandlungen stimmte die Gemeindevertretung schließlich dem Ausbau der Domhofstraße zu.

Ende des Jahres 1885 nahm man an Schulenbergs Knapp einen Steinbruch in Betrieb, um in unmittelbarer Nähe der neuen Straße Steine zum Bau der Packlage zu gewinnen. Bis zum Jahre 1888 gelang es, den „Niggen Wägg“ bis zur Gemeindegrenze (das ist die alte Poststraße Warendorf – Oelde, jetzt Oelder Landweg genannt) zu vollenden. Kaum waren ein paar Jahre vergangen, da baute die Gemeinde Ostenfelde eine neue Straße über den Schürenbrink, die den Anschluß an die Domhofstraße erhielt. Schon bald mußten Ausbesserungen getroffen werden. Wohl lieferte die Gemeinde das Steinmaterial, je-doch nur das allernotwendigste. Immer wieder mußten die Anlieger Hand- und Spanndienste leisten, um die Straße in etwa in Ordnung zu halten.

Es kam der erste Weltkrieg, und die Domhofstraße wurde in Grund und Boden gefah-ren. 1921 erhielt sie eine neue Schotterdecke aus Hochofenschlacke. Als später die Gemeinde Ostenfelde die Domhofstraße in Richtung Beelen ausbaute, steigerte sich der Verkehr. Es kam der zweite Weltkrieg, und was nicht durch die Kriegsfahr-zeuge an dieser Straße verdorben wurde, vollendeten umso gründlicher die Panzer der Alliierten. Wiederum gingen die Anlieger unentgeltlich daran, Hand- und Spanndienste zu leisten und brachten im Jahre 1947 allein rund 250 Tonnen Hochofenschlacke aus eigenen Mitteln auf, um die Gemeindestraße in Ordnung zu halten. Im letzten Jahre kam die Gemeindevertretung zu der Einsicht, daß wassergebundene Straßen dem Schnellverkehr nicht gewachsen sind, und es wurde 1 km teergebunden ausge-baut, was von den Anliegern dankbar anerkannt wurde. (Das letzte Stück dieses Weges befin-det sich allerdings in sehr schlechtem Zustand und ist in nassen Tagen von Fußgängern kaum passierbar.)

Wenn nun noch Gemeindeeingesessene glauben, nur die Anlieger nutzten diese Straße ab, so ist das ein großer Irrtum. Das meiste Interesse an einer guten Fahrbahnverfassung ha-ben Arbeiter, Handwerker, Händler, Fabrikanten und sonstige Unternehmer. Kürzlich befuh-ren während eines Vormittags zwei Milchfuhrwerke, 12 Krafträder, fünf Lastzüge, vier Last-wagen, zwei Kombilieferwagen und sechs Schlepper mit Anhänger (reiner Durchgangsver-kehr) diese Strecke. Demgegenüber benutzten im Anliegerverkehr nur neun Rad- und Krad-fahrer und fünf Pferdegespanne am fraglichen Tage die Domhofstraße.

Nebenbei sei daran erinnert, daß diese Straße im Sommer sehr gern von Spaziergängern, besonders von Heimatfreunden, benutzt wird, die den Anschluß finden an den Oelder Landweg zum „Hohen Kreuz“ und zum wunderschönen „Osterwald“
                                                                                                        Joh. Brüning-Sendker

Nochmals die „Domhofstraße“
 

Ergänzende Feststellungen des Verfassers
 
Zu meinem Bericht über den Bau der sogenannten Domhofstraße in Nr. 5 der „Glocke“ ist der Vollständigkeit halber noch folgendes nachzutragen:

Nach dem ersten Entwurf sollte die neue Straße nicht unmittelbar an dem Schulzenhof wie an einer Festungsmauer vorbeiführen. Es war geplant, vom Dorfe Westkirchen aus eine Lindenallee am alten Geistgraben entlang zu dem alten Rittersitz zu bauen. Das schöne Idyll mit der Insel sollte etwas seitwärts der Straße erhalten bleiben und, soweit möglich, in alter Schönheit neu erstehen. Von der Krukenstraße aus sollte der neue Weg in gerader Linie zur alten Hofstätte Große Schulenberg führen. Um einen halben Morgen Grund zu sparen, mußte eine rechtwinkelige Kurve in die sonst gerade geführte Straße gebaut werden, die heute den Verkehr überaus stark gefährdet.

 
Seit annähernd zehn Jahren benutzt die Fronleichnamsprozession die Domhofstraße. Nach zweihundertjähriger Unterbrechung (seit dem Ableben des Bauern Adolf Große Schu-lenberg und seiner Frau Angela, einer geborenen Türkin) baut der Markenkötter Domköster wie ehedem mit Hilfe guter Nachbarn an dem neuen Wegekreuz auf dem früheren Besitz von Große Schulenberg nach alter Väter Sitte den Altar zum hohen Fest. Zu beiden Seiten der neuen Straße liegen die ausgedehnten Fluren des alten sächsi-schen Bauernhofes. Unwillkürlich wird man in die Zeit zurückversetzt, als Baumhöfer gt. Schleif mit einem Holzeimer voll frischen Wassers den Prozessionsteilnehmern an heißen Sommertagen einen Labetrunk bot und Reinhard genannt Klingelmann mit einem Glöcklein im Kastanienbaum das Herannahen der Prozession und des Sanktissimum feierlich meldete.
 
 
Im Sommer vergangenen Jahres[1] gingen ca. 700 Personen durch die Dorfbauerschaft singend und betend über die Domhofstraße wieder zurück zur Pfarrkirche.
 

                                                                                                                     Brüning-Sendker.
 
   
 
[1] gemeint: also 1955
 
 


Quelle: Nachlass Brüning-Sendker
Veröffentlicht: Die Glocke am 06.01.1956 und 25.01.1956

Mit freundlicher Genehmigung der Familie Sendker und der Glocke



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