Osterfeuer in Westkirchen um 1890 - Dorfarchiv-Westkirchen e.V.

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Das Osterfeuer in der Gemeinde Westkirchen vor 50 Jahren

(also ca. um 1890)

Vor 50 Jahren war das Osterfeuer in Westkirchen eine Angelegenheit, an der die ganze Gemeinde Anteil nahm. Es war „dat Paoskfüer“. Es gab eben nur dieses, das Gemeindeosterfeuer, und gehörte zu den allerselbstverständlichsten Dingen; es war ebenso wenig wegzudenken wie Landw. Schützenfest und Markttag oder der Nikolaustag. Ostern ohne Osterfeuer wäre kein Ostern gewesen.

Es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass das Heranschaffen des Holzes für das Osterfeuer am Aschermittwoch begann. Diese Arbeit zu leisten, war altüberkommene Pflicht der größeren schulpflichtigen Jungen des Dorfes. Der Anführer der Dorfjugend übernahm auch in dieser Angelegenheit das Kommando. Er bestimmte, wer am „Holtföhern“ (Holzfahren) sich beteiligen dürfte. Die Kleineren sahen voll Neid auf die „Großen“, die Auserwählten, und wenn ein Junge zum ersten Mal beim „Paoskfüer“ hekfen durfte, glühte er vor Stolz.

Wenn dann die Schar der größeren Dorfjungen mit dem „Paoskfüerwagen“, den sie selber zogen, manchmal unter unsäglicher Mühe, durch die Straßen fuhr, glaubten sie die Blicke der Erwachsenen voll Bewunderung auf sich gerichtet, und ihr Eifer kannte keine Grenzen. Die Burschen wussten genau, bei welchen Häusern sich das Einkehren lohnte, und die Zahl der Holzbündel (Bousken),die jedes Haus stiftete, stand durchweg seit vielen Jahren fest. Zunächst ging es zu den Dorfbewohnern, und obschon diese ihr Brennholz auf Auktionen selber kauften mussten, war doch kaum einer darunter, der nicht wenigstens eine „Bouske“ spendete. Ganz schlicht baten die Jungen wohl: „Wi wulln gärn Holt fört Paoskfüer  häbben.“ Oft wurde auch in einer einförmigen Melodie gesungen:
 
„Paoskfüer,
Holt is düer!
Giewt us wat ut jue Schüer!
Laot´t us nich so lange staohn!
Wi möt´t nao´n Hüsken wieder gaohn!“

Das schwerste Stück der Arbeit begann, wenn die Bauern, die weit im Kirchspiel zerstreut wohnten, besucht wurden, oft unter Benutzung ungepflasterter , lehmiger, grundloser Wege. Die reichlichen Holzspenden, die die Bauern gaben, ließen aber alle Mühe vergessen, und selbst die Prügel, die es nach solchen Fahrten des Abends zu Hause in Anbetracht der am Anzuge mitgebrachten Lehmspuren und der zerrissenen Kleidungsstücke zuweilen absetzte, wurden als unabwendbar und dazugehörig in Kauf genommen, ohne dass das der Begeisterung für die gute Sache irgendwie Einhalt tat. Wie aber sahen erst Anzug, Hände und Gesicht aussahen, wenn einer der Bauern ein Fuder Dornbuschen gestiftet hatte, die aus den Hecken der Kuhkämpe immer so reichlich während der Wintertage gebunden wurden!
 
Mancher vom Dorfe weiter entfernt wohnende Bauer hatte für die „Paoskfüerjungens“ aber auch eine Anerkennung bereit. Bei dem einen gab es Paradiesäpfel, bei einem anderen eine Handvoll gebackener Pflaumen und Birnen. Die Jungen wussten auch genau, bei welchem Bauern sie des Nachmittags zur Kaffeezeit sich einfinden mussten. Die räumten mit den Knabbeln auf! Zu einem bestimmten Bauern ging es immer am zweiten Freitag vor Ostern des Abends gegen 6 Uhr. Dann standen Berge von Reibeplätzchen (Kartoffelpfannkuchen) bereit.

Zur guten Mutter Kl. In der Dorfbauerschaft aber zog man stets am Karfreitagvormittag, so dass die Kolonne (und zwar nur die Bewährtesten) gegen ½ 12 Uhr dort eintraf. Dort gab es dann das traditionell Karfreitagsgebäck, Struwen genannt, und zwar so ausgiebig, bis auch der Hungrigste erklärte: „Ick kann nich mähr!“ Wer ist wohl jemals glücklicher heimgefahren als die Westkirchener Dorfjungen an diesem Tage mit ihrem Fuder Holz! Alles Holz aber wurde zur „Vuegelraohe“ gefahren, einem Platze in der Nähe des jetzigen Bahnhofsgebäudes. Höher und höher wuchs der Holzstoß, und Erwachsene kamen mit langen Forken zu Hilfe, alles recht aufzuschichten.

Am Abend des Ostertages aber war das ganze Dorf auf dem Wege zum Osterfeuer; nur Kranke und Schwache blieben zurück. Aus Dorf und Bauerschaften kam es gezogen, Hunderte sammelten sich um den Holzstoß, und plötzlich prasselten die Flammen hoch zum Himmel. Volkstümliche Lieder wurden gesungen. Der Gesangverein brachte Männerchöre zu Gehör. Es war ein Klingen und Schwingen, ein Weben und Schweben von Mensch zu Mensch. Es war die Gemeinschaft, die um das Osterfeuer der Gemeinde sich gesammelt hatte und im Liede ihr gemeinsames Fühlen und Wollen zum Ausdruck brachte. Und wenn die letzten Flammen in sich zusammensanken, formierte sich ein Zug: Mit gleichem Schritt und hellem Sang ging es heim ins Dorf.

Kurz vor dem Krieg [gemeint ist der 1.WK] lag der schöne Brauch im Sterben. Der Liberalismus, der auch auf dem Lande seinen Einzug hielt, drückte ihm langsam die Gurgel zu.
                                                                                                                                            J. Schlotmann

Quelle: Nachlass J.Schlotmann
Veröffentlicht: Die Glocke am 04.04.1939

Mit freundlicher Genehmigung der Familie Schlotmann und der Glocke



 
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